Ausstellungsreihe The desire for being many
mit Ana de Almeida & Alicja Rogalska & Vanja Smiljanić, Alexandra Ivanciu & Jolanta Nowaczyk, Lillian Morrissey, Mila Panić, Marta Popivoda & Pary El-Qalqili
Eröffnung 22.11.2025 // 17:00-21:00
23.11.-20.12.2025
Mi-Sa 16:00-19:00
Unter dem Titel The desire for being many präsentieren die Kuratorinnen von Neun Kelche und alpha nova & galerie futura gemeinsam mit der Künstlerin Lillian Morrissey von Oktober bis Dezember 2025 eine Ausstellung an mehreren Orten Berlins sowie ein begleitendes Veranstaltungsprogramm. Das Projekt versteht sich als Plattform für intersektionale, künstlerische und kritische Praktiken von FLINTA* und widmet sich den aktuellen reaktionären, antifeministischen und LGBTQIA+-feindlichen Backlashes seitens rechter politischer Bewegungen.
Das Projekt The desire for being many reagiert nicht nur auf diese Dynamiken, sondern sucht – im Sinne der Philosophin, Autorin und Aktivistin Ewa Majewska – nach Möglichkeiten, Gegenöffentlichkeiten zu schaffen und solidarische Allianzen zu stärken. Künstler*innen und Aktivist*innen aus Berlin tragen Arbeiten bei, die von ihren transnationalen Perspektiven geprägt sind und ein polyphones Netzwerk des Widerstands gegen den gegenwärtigen Backlash 2.0 formen.
Dennoch ist dies nur ein Anfang. Um diesen globalen Prozessen entgegenzuwirken, müssen (noch) viele weitere Stimmen einbezogen werden. Der Wunsch, viele zu sein, versteht sich daher als Ausgangspunkt, als offenes und erweiterbares Unterfangen, das in zukünftigen Kapiteln fortgesetzt und diversifiziert werden soll.
Kick-Off im Gunda-Werner-Institut: 22.10.25 // The desire for being many – Strategies of Weak Resistance // Panel Talk mit Ewa Majewska, Alexandra Ivanciu, Jolanta Nowaczyk und Tarek Shukrallah, moderiert von Sandra Ho
Ausstellung bei Neun Kelche: 26.10.-20.12.25 mit Arbeiten von Rebekka Benzenberg, Ren Loren Britton, Yishay Garbasz, Oska Gutheil, Alexandra Ivanciu & Jolanta Nowaczyk, Jeanna Kolesova, Gosia Lehmann.
Ausstellung bei Solaris: 9.11.-7.12.25 mit Arbeiten von Melo Börner, Alexandra Ivanciu & Jolanta Nowaczyk, Kaj Osteroth, Maria Thrän
Mehr infos: www.thedesireforbeingmany.de
PROGRAMM
Jokes
Stand-up Comedy Performance von Mila Panić (auf Englisch)
10 Dez 2025 // 19:00
Humor wird oft eingesetzt, um vorherrschende kulturelle Narrative zu kritisieren, zu untergraben und zu verändern. Dennoch hört man in Kunstausstellungen nur selten lautes Lachen. Mila Panic nutzt Humor in Form von bildender Kunst und Stand-up-Comedy, um befreiende Momente zu schaffen, zu lachen und sich mit Themen wie selektiver Empathie, Politik, Krieg, Vertreibung oder Alltagssituationen auseinanderzusetzen.
KÜNSTLER*INNEN
Die interdisziplinären Künstlerinnen Ana de Almeida (sie/ihr), Alicja Rogalska (sie/ihr) und Vanja Smiljanić (sie/ihr) haben gemeinsam das feministische, spekulative LARP (Live Action Role-Playing) NOVA, entwickelt, das ursprünglich 2019/2020 von der VBKÖ und der Kunsthalle Wien in Auftrag gegeben wurde. NOVA lädt insbesondere feministische und queere Aktivist*innen dazu ein, gemeinsam zu improvisieren und ein Stück feministische Zukunftsfiktion zu erschaffen – eine Welt jenseits patriarchaler Unterdrückung. In NOVA entsteht ein kollektiver, spekulativer Raum und ein Ort, an dem Solidarität und Intersektionalität erprobt, Erfahrungen geteilt und neue Formen des Zusammenlebens entwickelt werden können – selbstverwaltet, vielfältig und radikal inklusiv. Bei alpha nova & galerie futura präsentieren die Künstlerinnen NOVA als mehrteilige Installation. Zu sehen sind eine Videodokumentation des Spiels, die von den Teilnehmer*innen getragenen Kostüme und Bodenelemente, die einen wesentlichen Teil der Spielerfahrung bilden. So eröffnet die Ausstellung einen Einblick in die Welt von NOVA – ein Experiment zwischen feministischer Vorstellungskraft, kollektiver Performance und politischer Praxis.
In ihrem Projekt Exercising Collective Disobedience, zuletzt gezeigt im D21 in Leipzig, machen Kunstaktivist*in Alexandra Ivanciu (keine Pronomen/they) und Künstlerin und Aktivistin Jolanta Nowaczyk (sie/ihr) auf die zunehmende Beschneidung reproduktiver Rechte aufmerksam und organisieren Widerstand durch Kunst und Aktivismus. An allen drei Ausstellungsorten befindet sich eine transparente Box mit der „Pille danach”, deren Präsenz sowohl symbolisch als auch agitatorisch ist: Sie ruft zu kollektivem Handeln auf und lädt die Besucher*innen ein, Pillenpackungen beizusteuern, die seit März 2015 in Deutschland rezeptfrei in Apotheken erhältlich sind. Nach Ende der Ausstellungen werden diese Pillen an diejenigen verteilt, die nur schwer Zugang zu ihnen haben – etwa in Polen, Nowaczyks Herkunftsland. In ihrer performativen Bar bei Neun Kelche knüpfen Ivanciu und Nowaczyk mit der Zubereitung eines Kräuterlikörs an jahrhundertealtes weibliches* Wissen und Widerstandspraxen an, indem sie Kräuter verwenden, die früher zur reproduktiven Gesundheit eingesetzt wurden. Ihr Projekt sensibilisiert nicht nur für das Recht auf Selbstbestimmung über FLINTA*-Körper, sondern ermutigt auch zum Handeln und zum Austausch. Ergänzt wird die Installation durch eine Reihe von Interviews mit weiteren Aktivist*innen in Form von Informationsbroschüren, die in allen drei Ausstellungsräumen Einblicke in die Komplexität dieses globalen Kampfes geben.
Lillian Morrissey (sie/ihr) ist eine in Australien geborene, in Berlin lebende Textilkünstlerin mit einem Hintergrund in Politikwissenschaft und Bildender Kunst. Ihre satirischen, feministischen Arbeiten verbinden Malerei, Stickerei und textile Traditionen mit Bezügen zu Popkultur, Kunstgeschichte, Mittelalter und zeitgenössischer Politik. Dabei untersucht sie kulturelle Propaganda und die Macht von Bildern im postfaktischen Internetzeitalter. In der alpha nova & galerie futura zeigt Morrissey die Arbeit Hydra (2024) – einen großformatigen, bestickten Wandteppich, der sich am künstlerischen Genre der politischen Karikatur orientiert und es mit den Traditionen der Volksstickerei, mittelalterlicher Wandteppiche und illuminierter Handschriften verbindet.
Das Werk zeigt die vielköpfige Hydra der griechischen Mythologie als zeitgenössisches Monster, bewaffnet mit einer Pistole und einem Smartphone. Am Ende ihrer vielen langen Hälse befinden sich die Köpfe von Personen, die einen Teil der rechtsextremen verschwörungstheoretischen Medienlandschaft in den USA und Deutschland ausmachen: Rupert Murdoch, Steve Bannon, Alex Jones, Tucker Carlson, Joe Rogan, Tomi Lahren, Maximilian Krah, die Wilkes-Brüder. In Hydra porträtiert Morrissey diese Figuren, die durch soziale Medien, Fernsehen oder Radio neofaschistische Hetze, wissenschaftsfeindliche Desinformation und Verschwörungsideologien verbreiten oder im Hintergrund gezielt deren Verbreitung fördern.
Mila Panić (sie/ihr) ist Künstlerin und Stand-up-Comedian. Ihre Arbeit bewegt sich zwischen dem Persönlichen und dem Politischen und entfaltet sich auf der Bühne ebenso wie in Skulpturen und Installationen. Humor dient ihr dabei als Methode der Kritik und des Überlebens. Für alpha nova & galerie futura hat sie eine neue ortsspezifische Installation entwickelt. Mit Objekten, Readymades, Neontexten, Zeichnungen und Fotografien erzählt Panić Geschichten von Migration, Zugehörigkeit und Ausgrenzung und konfrontiert die anhaltende Fremdenfeindlichkeit im heutigen Deutschland. Sie verwandelt persönliche Erinnerungen in kollektive Erzählungen, die sich mit den patriarchalen und exkludierenden Systemen unserer Gegenwart auseinandersetzen und die Absurditäten von Macht und Vorurteilen aufdecken. Für Panić wird Humor sowohl zu einer Überlebensstrategie als auch zu einem Instrument des feministischen Widerstands, zu einer Möglichkeit, Widersprüche aufzudecken, Traumata zu konfrontieren und durch Lachen Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen. Ihre Installationen und Performances sind untrennbar miteinander verbunden: Pointen erscheinen als leuchtende Fragmente an den Wänden, während der Rhythmus der Stand-up-Comedy den Raum mit Ironie und Dringlichkeit erfüllt. In ihrer Praxis schafft Panić Räume für feministische Erzählungen, die sowohl scharfsinnig als auch zart sind und die Betrachter*innen zum Nachdenken über die Ungerechtigkeiten und Paradoxien unserer Gegenwart einladen.
In einer neu entwickelten, kollaborativen Arbeit zeigen Marta Popivoda (sie/ihr) und Pary El-Qalqili (sie/ihr) eine Videoinstallation, die sich (älteren) palästinensischen Frauen in Berlin widmet – Frauen, deren Leben von Vertreibung, Ausgrenzung und Auslöschung geprägt ist und die sich dennoch aktiv an der palästinensischen Solidaritätsbewegung beteiligen. In einer Zeit, in der kritische Stimmen zunehmend unterdrückt werden, verstärkt die Arbeit ihre Präsenz und zeichnet nach, wie Körper, Erinnerungen und Zeug*innenschaft sich gegen Marginalisierung und Unsichtbarmachung behaupten. Ausgehend von einem gemeinsamen Interesse der beiden Künstlerinnen an Körpern als Archiven des antifaschistischen Widerstands verwebt die Installation persönliche Erzählungen, Gesten und Protestlandschaften zu einem filmischen Raum, in dem Erinnerung, Politik und Zugehörigkeit in Spannung zueinander existieren. Ihre Zusammenarbeit vereint feministische und dekoloniale Ansätze des Erzählens. El-Qalqilis filmische Praxis untersucht nichtlineare und fragmentarische Narrative, die koloniale und patriarchalische Repräsentationsstrukturen hinterfragen, während Popivodas Arbeit die Beziehungen zwischen Körper, Geschichte und Ideologie durch feministisches Storytelling und radikale Langsamkeit untersucht. Gemeinsam schaffen sie einen kollektiven Raum der Erinnerung und Imagination: eine Landschaft der Solidarität, in der die Stimmen, Gesten und die Präsenz von Frauen ein lebendiges Archiv des politischen Werdens bilden, sie als politische Subjekte verorten und vergangene wie gegenwärtige Kämpfe für Gerechtigkeit und Befreiung miteinander verbinden.











