Kunst Krise – feministische Positionen

Chantel C, Katharina Koch & Anne Kohl, Sandrine Micossé-Aikins, Inga Zimprich und Gäste

Workshop

Workshop

8.11.-9.11.2014 // 10:00 – 18:00

Mit dem Workshop möchten wir aus feministischer Perspektive den Berliner Kunstbereich, in dem wir uns in unterschiedlicher Weise bewegen und zu dem wir uns zugehörig fühlen, als prekäres Arbeitsfeld befragen. Dass die Arbeitsbedingungen von vielen Kulturschaffenden immer prekärer werden ist kein neues Phänomen und geht einher mit der generellen Prekarisierung vieler Arbeits- und Lebensbereiche durch steigende Mieten, unzureichende Entlohnung, unsichere Bedingungen und Reduzierung sozialer Leistungen und Förderungen, um nur einige Aspekte zu nennen.

Mit diesen Entwicklungen, die wir mit dem Begriff Krise fassen möchten, haben sich in den letzten Jahren bereits Akteur_innen aus Kunst, Kultur, Aktivismus und Wissenschaften in zahlreichen kritischen Auseinandersetzungen, Diskussionen und Debatten beschäftigt und daraus unterschiedliche Strategien und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln versucht.

Wir wollen deshalb nicht erneut nur die prekären Bedingungen thematisieren, sondern die anhaltende Krise als Ausgangspunkt nehmen, um sie hinsichtlich ihrer produktiven und kreativen Potenziale zu untersuchen. Dazu möchten wir gemeinsam potentielle (queer-)feministische Perspektiven und Ansätze ausloten und sie als Möglichkeiten politischen Agierens diskutieren und stark machen. Basis einer solchen feministischer Perspektivierung bildet für uns die kritische Auseinandersetzung mit machtvollen Strukturen und ungleichen Zugangsbedingungen, die auf Gender, race, auf sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründen von Akteur_innen basieren, sowie mit Ein- und Ausschlüssen, die den von uns adressierten Kunstbereich strukturieren. Welche Rolle spielt etwa Gender in den generellen Diskussionen zu Kunst und Krise, welche Ausschlüsse würde wiederum eine Fokussierung auf Gender reproduzieren? Diesen Auseinandersetzungen sollte die Reflexion über unsere eigene Involviertheit und Reproduktion dieser Strukturen immanent sein. Gleichzeitig geht es darum, Formen von Solidarität und Kollektivität auszuloten und stark zu machen sowie Strategien zu entwickeln, um in die herrschenden krisenhaften Verhältnisse und Strukturen zu intervenieren und diese herauszufordern. Wie kann „die Krise“ (globale ökonomische und gesellschaftliche Krise) effektiv genutzt werden, um vice versa sich verschärfende gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse in die Krise zu bringen?


Workshop Kunst Krise – feministische Positionen, alpha nova & galerie futura, 2014.

 Umsetzungsformat

Für das gemeinsame Eintauchen in die Thematik bieten wir einen zweitägigen Workshop an. Im ersten Teil des Workshops steigen wir mittels vier kurzer Inputreferate von Chantel C, Inga Zimprich, Sandrine Micossé-Aikins und Katharina Koch mit Anne Kohl ein. Im Anschluss werden deren Fragestellungen in Kleingruppen in Anlehnung an das Format eines „World-Cafés“[1] bearbeitet und abschließend deren Ergebnisse in der großen Runde zusammengetragen und Gemeinsamkeiten und Differenzen diskutiert.

1. Input „Community“ (Chantel C)

Im Sinne von Cathy Cohens als radikal bezeichneter Theorie wären Schwarze, POC und queere Künstlerinnen stärker, wenn sie gezielter zusammen arbeiten würden. Auf der anderen Seite haben diese Communities unterschiedliche Interessen und Bewegungen, die sie vertreten. Was ist möglich, was ist sinnvoll? Wie wird das unter Berücksichtigung von Intersektionalität verstärkt oder gelindert?

2.Input „Feministische (Kunst-)Räume heute“ (Anne Kohl & Katharina Koch)

Welche ideellen Ansprüche verknüpfen sich heute mit der Produktion feministischer (Kunst-)Räume, und mit welchen Realitäten werden diese konfrontiert? Die alltägliche praktische Arbeit lässt uns regelmäßig auf Grenzen stoßen die uns daran erinnern, selbst Teil von machtvollen Strukturen zu sein, die explizite und implizite Ausschlüsse (re-)produzieren. Diese Grenzen betreffen u.a. Fragen von fairer Bezahlung und prekären Arbeitsbedingungen, vom Pro und Contra, sich kunstmarktorientiert auszurichten, sowie die Frage nach den tatsächlichen (aktiv teilhabenden) Akteur_innen dieser Räume. Was bedeutet in diesen Zusammenhängen eine solidarische Praxis? Im Workshop wollen wir gemeinsam den Widersprüchen begegnen sowie über Visionen und realistische Möglichkeiten diskutieren.

3. Input „Problematisierung des westlichen Kunstkanons“ (Sandrine Micossé-Aikins)

Schwarze und POC Künstlerinnen definieren ihren Erfolg als Künstlerinnen oft anders und verfolgen dementsprechend verschiedene Strategien, ihre Visionen umzusetzen. Jedoch ist eine Künstlerin erst dann von der herrschenden Meinung als erfolgreich zu bezeichnen, wenn ihre Kunst auch im Rahmen des weiß-europäischen Kunstkanons weit verbreitete Anerkennung erlangt. Somit wird die Frage immer wieder aufgeworfen und diskutiert, ob Schwarze und POC Künstlerinnen ihre eigenen neuen Räume schaffen sollten, um sich endgültig von der Akzeptanz eines veralteten Ideals, das immer noch für die Unterdrückung nicht-weißer Menschen steht, zu befreien? Oder lohnt es sich, die Aufmachung der alten, rigiden und noch allgemein gültigen Strukturen anzustreben?

4. Input „Wie arbeiten wir in selbstorganisierten Gruppen?“ (Inga Zimprich)

Im Kunstfeld wird ein Großteil nicht als Arbeit gekennzeichneter Tätigkeiten von Frauen geleistet. Insbesondere das Erhalten und Pflegen von Strukturen und der Community übernehmen Frauen auch im nicht-kommerziellen und selbstorganisierten Bereich oft ohne Bezahlung oder unterbezahlt. Forderungen nach Ausstellungshonoraren decken diese Tätigkeiten nicht ab. Wie gelingt es uns, von dieser Arbeit zu sprechen und sie anzuerkennen? Im Versuch, uns gegen prekäre Arbeitsverhältnisse zu wehren, arbeiten wir in Gruppen und Kollektiven. Doch gesellschaftlicher und ökonomischer Druck wirkt auch in unsere selbstgewählten Arbeitsbeziehungen hinein, insbesondere in einem so grundsätzlich durch Beziehungen und Informalität geprägten Feld wie der Kunst. Wie gehen wir in Gruppen mit Misstrauen, Wettbewerb und Konkurrenz um? Welche Mittel haben wir, sie zu adressieren und so ein langfristiges, gemeinsames Arbeiten zu ermöglichen?

Im zweiten Teil des Workshops soll das gesammelte Wissen konkret ausgearbeitet werden. Ziel ist das gemeinsame Erarbeiten eines Zines. Die Beiträge für das Zine können in einzelnen AGs entstehen, z.B. ein kurzer Text mit Begriffsdefinitionen, ein politisches Manifest, ein Brettspiel oder Formulierungen von Strategien, Taktiken und Praktiken. Das Zine soll im Rahmen des für 2015 von Chantel C und alpha nova & galerie futura geplanten Symposiums zum Thema „Women Artists of Color in Berlin“ vorgestellt werden.

Workshop-Teilnehmende
Für den Workshop laden wir gezielt eine Gruppe von ca. 20 Teilnehmenden ein, die sich in ihrer Praxis auf unterschiedliche Weise bereits mit den angesprochenen Themenfeldern auseinandergesetzt haben.

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