Malu Blume: The Book of S of I (2020)

'The Book of S of I' ist der erste Teil einer fantastischen Sci-Fi-Saga in drei Kapiteln über das Suchen und Finden von Gemeinschaft. Der Wunsch nach Zugehörigkeit, die Kraft der gegenseitigen Fürsorge und die Sehnsucht nach Zärtlichkeit stehen dabei im Fokus. 'The Book of S of I' ist eine queer-feministische Geschichte über die utopische Kraft von Freundschaft, Selbstliebe und die Lust am Körper. Der Film ist Malu Blumes erster experimenteller Kurzfilm und entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Wiener Filmkollektiv HEKATE und mit Unterstützung durch den Förderpreis der Arthur-Boskamp-Stiftung.

Film Still, The Book of S of I (2020), Malu Blume

Link zum Film

Buch, Regie und Produktion: Malu Blume
Mit: Sophie Utikal, Rosa Wiesauer, Ipek Hamzaoglu, Magdalena Fischer, Marwa Abou Hatab, Roya Asadian und Camila Rhodi
Co-Producer*innen: Hekate Film Collective und Marwa Abou Hatab, Rooya Asadian, Magdalena Fischer, Camila Rhodi, Katharina Schmidt, Sophie Utikal und Rosa Wiesauer
Kamera: Malu Blume, Ipek Hamzaoglu und Laura Nitsch
Schnitt: Malu Blume
Dramaturgie: Ipek Hamzaoglu und Laura Nitsch
Sound und Musil: Frieder Blume und Malu Blume
Styling un Make Up: Malu Blume und Rosa Wiesauer
Set Design: Malu Blume und Magdalena Fischer
On-Set Catering: Katharina Schmidt
Herzlichen Dank an Sascia Bailer, Ebru Düzgün, Lennart Krauss, Nikos Metaxas und Juliane Saupe
Entstanden im Rahmen der Arthur Boskamp-Stiftung 2019/2020

3 Fragen an Malu Blume

Wie bzw. als was verstehst du Care in deiner Arbeit?

Mit Care beziehe ich mich auf einen weitläufigen Diskurs, der sich zwischen konkreter Sorge- und Pflegearbeit im privaten oder erwerbstätlichen Bereich sowie  reproduktiver Arbeit im weitesten Sinne aufspannt, die auch emotionale Dimensionen des Umsorgens einbezieht. Ich meine mit Care aber auch eine „sich kümmernde“ Haltung, die den Ansprüchen der neo-liberalen Gesellschaft quer gegenübersteht. Ich sehe Care als notwendige und radikale queer-feministische Strategie, um jenseits normierter Beziehungsmodelle Verbindungen herzustellen und zu pflegen. Für meine künstlerische Praxis ist Care auch eine wichtiges Prinzip, um kollektive Arbeitsprozesse zu gestalten – etwa indem Freund*innenschaft, sich umeinander Kümmern an die Stelle von Produktivitätsbegehren und gegenseitige Konkurrenz gestellt werden und somit der Prozess dem Endprodukt nicht untergeordnet wird.

Welches Potential hat sci-fi für (d)eine feministische künstlerische Praxis?

Sci-Fi und/oder Spekulative Fabulation sind für mich Tools, um andere Welten zu imaginieren, und zu fragen, was aus uns hätte werden können. Für mich geht es dabei eigentlich um die Suche nach einer anderen Gegenwart, für die wir sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit schauen, um Spuren solch transgressiver Momente zu finden, die davon erzählen, dass unsere Welt auch eine andere sein könnte. Machtvolle Strukturen verkörpern sich, wir haben gelernt, sie in unseren Routinen, unserem Denken und Fühlen zu wiederholen, auch wenn wir versuchen dagegen an zu arbeiten. Ich glaube, dass kollektive Imagination eine Möglichkeit sein kann, sich quasi seitwärts in Bewegung zu versetzen und gemeinsam von anderen Arten des Zusammenseins zu träumen und somit neue Möglichkeitsräume zu erschließen.

Wie sieht dein feministisches Utopia aus bzw. wie haben sich für dich Utopien, deren Inhalte und Dringlichkeit durch die Erfahrung mit der Pandemie verändert? 

Meine eigene dringlichste feministische Utopie speist sich aus dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und queeren Verbindungslinien oder -netzwerken, die kollektives Handeln ermöglichen. Mit The Book of S of I habe ich mich an der radikalen Vision einer sorgenden Gesellschaft orientiert, in der Fürsorge kein abgewerteter, unsichtbar-gemachter oder out-gesourceter Bereich ist, sondern als zentrale Ressource sozialer Organisation wertgeschätzt wird. Die Dringlichkeit dieser Utopie hat sich durch die Veränderung des sozialen Alltagslebens in der Pandemie nur noch verstärkt. Das Leben in sorgenden Gemeinschaften, die über die Kleinfamilie hinausgehen, ist unter den derzeitigen Bedingungen fast unmöglich geworden. Eine pandemische Krise wie diese lässt uns außerdem auf teilweise schmerzhafte Art spüren, dass wir eben keine autonomen Individuen sind, sondern unsere Leben auf interdependente Art vielfältig miteinander verbunden sind. Gleichzeitig sind die Kreise in denen wir uns um einander kümmern, der Horizont innerhalb dessen wir für andere Sorge tragen (können), oder ganz einfach uns gegenseitig berühren können, unerträglich klein geworden. Durch die Verschärfung der sogenannten Care-Krise währen der Corona-Pandemie, wurde Care Arbeit zwar kurz als systemrelevanter Bereich auf einer breiteren Ebene diskutiert, muss aber weiterhin um Anerkennung ringen. Diejenigen, die die Sorgearbeit leisten, als Lohnarbeitende ebenso wie als sorgende und pflegende Angehörige, werden in dieser prekären Situation weiterhin strukturell im Stich gelassen. Die Dringlichkeit nach einer Utopie, in der Care das Grundprinzip kollektiver Organisation gilt, ist zwar überhaupt nicht neu, aber ihre Brisanz hat im Laufe der letzten zwölf Monate sicherlich zugenommen.

 

Malu Blume (*1988) ist Künstler*in und Kulturvermittler*in und lebt in Berlin. Sie realisiert ihre künstlerischen Projekte in wechselnden kollektiven Zusammenhängen.
In recherche-basierten Arbeitszyklen widmet sie sich den Zusammenhängen zwischen Care Politiken, Freund*innenschaft und queerer Femininität. 2016 absolvierte sie das Studium Master in Critical Studies an der Akademie der Bildenden Künste Wien. 2019 erhielt sie den Förderpreis der Arthur Boskamp-Stiftung in dessen Kontext sie ihren ersten Kurzfilm The Book of S of I  in enger Zusammenarbeit mit dem befreundeten Kollektiv HEKATE Film Collective umsetzte.  Derzeit ist sie Mitglied des queer-feministischen Studio-Kollektivs Altes Finanzamt in Neukölln, Berlin.
www.malublume.de

 

 

 

 

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