Mit dem Projekt Mehr Gemeinschaft formen schafft Künstlerin Sonia E. Barrett zusammen mit einer Gruppe Co-Produzentinnen eine raumgreifende und ortsspezifische Installation aus Papierlandkarten, die Gemeinschaft und Selbstermächtigung in den Fokus stellt und die koloniale Aufteilung der Welt hinterfragt.
Landkarten materialisieren und formen unser Bild und Wissen über die Welt. Sie vereinfachen und generalisieren, sind dadurch nicht als Abbilder einer objektiven Realität zu verstehen, sondern immer implizit politisch. Landkarten besitzen eine Wirkmacht, indem sie Räume, Verhältnisse und Beziehungen festschreiben, Ein- und Ausschlüsse produzieren und nicht nur in Zeiten europäischer Kolonisierung strategisch eingesetzt wurden. Das Projekt Mehr Gemeinschaft formen der Künstlerin Sonia E. Barrett eignet sich die Landkarte als Objekt und Material an und nimmt diese als Grundlage für Momente der Kollektivität und des Austauschs.
Ausgehend von einem Workshop mit Schwarzen Frauen und Frauen of Color unter Anleitung der Künstlerin entsteht eine Gemeinschaftsskulptur aus ca. 60 geschredderten Papierlandkarten. Die teils antiquarischen Karten zeugen von der westlich-hegemonialen Aufteilung der Welt, die ihre Ursprünge in der Kolonialisierung und Unterdrückung vieler Weltregionen durch die europäischen Kolonialmächte Europas seit dem 15. Jahrhundert hat und deren katastrophale Folgen des Rassismus, der sozialen Ungleichheit und rigider nationalstaatlicher Grenzregimes die postkoloniale Gegenwart bestimmen. Das Schreddern der Karten und das selbstbestimmte Neugestalten einer Skulptur, die im wortwörtlichen wie im übertragenen Sinne als großes Netzwerk fungiert, schafft einen zeitlichen und räumlichen Kontext, der Karten und damit auch die Welten, die sie hervorbringen, neu zu imaginieren und konfigurieren vermag.
Basierend auf Pflege- und Schönheitspraxen, bei denen in Communitys Schwarzer Frauen oft Zöpfe oder Dreadlocks geflochten werden und die mit Gesprächen und Austausch verbunden sind, agieren die Teilnehmenden jenseits der Zwänge dominierender Schönheitsnormen; statt des Haars werden Papierkarten geflochten und somit ein Raum geschaffen, in welchem Erfahrungen, Wissen und Fähigkeiten geteilt und andere Möglichkeiten des Seins und des Kennenlernens praktiziert werden.
Die Ausstellung wird durch ein Rahmenprogramm mit Gesprächen und Präsentationen diskursiv erweitert, (urbane) Infrastrukturen rassismus- und sexismuskritisch analysiert und dekoloniale Strategien ausgelotet.
Dekolonisierung in Action
Gespräch mit Dr. Sandrine Micossé-Aikins und Sonia E. Barrett
13.1.2024 // 17:00-18:30 (in deutscher und englischer Lautsprache)
Veranstaltung in Kooperation mit dem FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
Das dialogische Gespräch mit Sonia E. Barrett und der Kunstrwissenschaftlerin und Kuratorin Dr. Sandrine Micossé-Aikins, in dem beide aus ihrer jeweiligen Praxis berichten, geht der Frage nach, was „Dekolonisierung in Action“ aus künstlerischer, kuratorischer, aktivistischer, kulturwissenschaftlicher Perspektive konkret bedeuten kann: Wie können unterschiedliche Zugänge und Praxen mit ihren jeweiligen Potenzialen Synergien für andere Wissensproduktionen erzeugen und dazu beitragen, Strategien diskriminierungskritischer und dekolonialer Erinnerungsarbeit und (Stadt-)Geschichte auszuloten?
Sonia Elizabeth Barrett ist deutsch-jamaikanischer Herkunft und wuchs in England, China und Zypern auf. Sie ist Absolventin der St. Andrews University und des Transart Institute (beide UK). Sonia ist MacDowell-Stipendiatin und hat ein Stipendium der Boss Harlan Foundation inne. Ihre Arbeiten wurden in einer Reihe von Galerien ausgestellt, darunter OCCCA in Kalifornien, nGbk in Berlin, The Format Contemporary in Mailand und die Rosenwald Wolf Gallery Philadelphia, das Museum of Derby und die British Library. Sie wurde mit dem Premio Ora Preis, dem NY Art Slant Showcase für Skulptur und dem Neo Art Prize ausgezeichnet. www.sebarrett.net