Jay Ritchie: Wandlung & Scherben

Einzelausstellung von Jay Ritchie; Veranstaltungen mit Max Appenroth, Nino Bulling und Bär Kittelmann; in kuratorischer Zusammenarbeit mit Katharina Koch & Sylvia Sadzinski

Ausstellung, Präsentation

Grafik: Stefanie Rau, operative space

Eröffnung

7.3.2024 // 19:00

Ausstellung

8.3.-4.5.2024
Mi-Sa // 16:00-19:00

Trans & Care

Lesung mit Max Appenroth
24.4.2024 // 19:00

firebugs

Akustische Lesung mit Nino Bulling & Bär Kittelmann
25.4.2024 // 19:00

Bilder

Bilder Eröffnung / Images Opening

 

Fotos: Katharina Koch

 

Bilder Ausstellung / Installation Views

 

Fotos: Ivonne Thein, photography

„Was ist der nicht binäre Körper. Was ist die nicht binäre Jacke. Was ist der nicht binäre Haarschnitt. Wie muss das Nagelbett aussehen. Wie die Hornhaut an den Füßen. Welche Schuhgröße muss man haben. Sitzt man ein wenig vorgebeugt oder eher ein wenig angelehnt. Welche Haarfarbe ist nicht binär. Welche Augenfarbe. Welche Hautfarbe. Wie viel Körperfett ist nicht binär. Zeigen die Fußspitzen eher in die Mitte oder nach außen. Wie klingt das Husten.“1

 

Im Zentrum der Einzelausstellung Wandlung & Scherben von Jay Ritchie steht dieAuseinandersetzung mit gesellschaftlichen Rollen- und Identitätszuschreibungen im binären Geschlechtersystem. In einer Gesellschaft, die immer wieder den Zwang verspürt, Körper nicht nur geschlechtlich, sondern allgemein zu kategorisieren, stellt Ritchie in Fotografien und skulpturalen Arbeiten den nicht-binären Körper und seine Resilienz in den Fokus, ohne dessen Wunden zu negieren.

 

In persönlicher und zugleich poetischer Weise zeigt Ritchie anhand der eigenen Transition, dass Geschlechtlichkeit eine Reise und ein Prozess sein kann. Durch die Sichtbarmachung der individuellen Erfahrungen verweisen die Arbeiten der Ausstellung jedoch nicht nur auf queere Realitäten. Vielmehr verhandelt Wandlung & Scherben Identität im Allgemeinen als ein fließendes Kontinuum und nicht als ein starres Konstrukt. Geschlecht wird dabei als keine feste Kategorie verstanden, sondern als ein Zustand, der sich wie unser gesamtes Sein wandeln und transformieren kann.

 

Identitäten sind durch Erfahrungen geprägt, die das Leben beeinflussen und zuweilen auch einschränken können. Negative Erfahrungen äußern sich durch Traumatisierungen, die sich als posttraumatische Belastungsstörungen im Körper manifestieren können. Jay Ritchie spricht als betroffene Person über eigene Traumata. Diese werden im künstlerischen Prozess aufgegriffen und sichtbar gemacht. Zugleich löst Ritchie diese jedoch aus der individuellen Fokussierung, fasst sie als kollektives Phänomen auf, das es zu bearbeiten gilt. Durch diese spezielle Art der Thematisierung erschafft Ritchie einen Raum im Wandel, der sich feministisch und kraftvoll durch seine Verletzlichkeit, den Themen Scham, Schuld und Selbstbehauptung widmet und somit einen politischen Akt beschreibt.

 

Wandlung & Scherben eröffnet einen künstlerisch-diskursiven Raum und wird zu einem Appell, Gesellschaftsstrukturen neu zu denken und zu verändern. Der Ausstellungstitel weist darauf hin, dass die Suche nach der eigenen Identität selten einen Abschluss findet. Zugleich wird deutlich, dass die persönliche Entwicklung und die Heilung von Traumata nie linear verläuft, sondern immer wieder durch Unterbrechungen und Störungen gekennzeichnet ist. Nur indem individuelle und kollektive Traumata öffentlich verhandelt werden, über sie gesprochen und nicht geschwiegen wird, können intergenerationale Kreise der Gewalt durchbrochen und eine gesamtgesellschaftliche Transformation ermöglicht werden. Unsere Körper sind niemandem etwas schuldig.

 

1 Irina Nekrasov/a: Welche Haarfarbe hat Geschlecht. In: etece buch (Hrsg.), Realitäten. 30 Queere Stimmen. Berlin: etecee buch, 2022.

 

Künstler*in Jay Ritchie (keine; dey; they) lebt in Berlin. Deren Arbeiten umfassen Installationen, Fotografien, Video-Performances und textbasierte Werke und verstehen Sichtbarkeit als produktive und diskursive Macht. Jay Ritchie graduierte 2022 als Meisterschüler*in bei Prof. Tina Bara an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Ausstellungen umfassen u.a. Deichtorhallen Hamburg als Preisträger*in von gute aussichten – junge deutsche fotografie 2020/21 und das kollaborative Ausstellungsprojekt UNCOVER im Westwerk Hamburg & Künstlerhaus Sootbörn. www.jay-ritchie.com

 

 

PROGRAMM

 

Trans & Care
Lesung mit Max Appenroth

24.4.20024 // 19:00

 

In Medizin, Psychologie und Pflege werden trans Personen marginalisiert. Geschlechtliche Diversität wird oft mit sexueller Vielfalt zusammen betrachtet – die gelebte Erfahrung von trans Personen wird dadurch jedoch verdeckt. Der Band „Trans & Care. Trans Personen zwischen Selbstsorge, Fürsorge und Versorgung“ (2019, Hrsg. Max Appenroth / María do Mar Castro Varela) beschäftigt sich erstmals daher nicht nur mit der aktuellen Lage von trans Personen in diversen Versorgungssystemen, sondern auch mit dem Konzept der »Selbstsorge«. Er soll einen Weg bereiten für Handlungsoptionen, die zu einer verbesserten pflegerischen, medizinischen, therapeutischen und sozialen Versorgung von trans Personen führen.

 

Max Appenroth ist ein Kölner trans Aktivist, Autor, Public Speaker und steht kurz vor dem Abschluss der Promotion am Institut für Public Health der Charité Universitätsmedizin Berlin. Max hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die Schönheit gesellschaftlicher Vielfalt aufzuklären. Mit dem eigenen Unternehmen „Diversity Factory“ bieten sein Team und er Beratung, Wei­terbildungen und Coaching rund um das Thema Diversity und soziale Nachhaltigkeit an. Auch auf Social Media spricht Max auf diversen Plattfor­men über die schönen Facetten von Vielfalt und den Benefit einer tiefgründigen Auseinandersetzung damit. www.diversityfactory.com

 

firebugs
Akustische Lesung mit Nino Bulling & Bär Kittelmann

25.4.2024 // 19:00

 

In Form von Text, Bildern und Sounds präsentieren Nino Bulling und Bär Kittelmann die Graphic Novel firebugs (Nino Bulling, Edition Moderne / Colorama, 2022), eine Trans-Liebesgeschichte, die die intime Erfahrung von Körper und Sexualität mit den großen ökologischen Herausforderungen unserer Zeit verbindet.

 

Künstler und Autor Nino Bulling arbeitet in und außerhalb von realitätsbezogenen Formaten mit einem Interesse an den dokumentarischen Qualitäten von Comics. 2022 nahm Bulling an der documenta fünfzehn teil mit einer Ausstellung, kollaborativen Projekten und der Graphic Novel firebugs (Edition Moderne / Colorama). www.ninobulling.net

 

Der interdisziplinäre Künstler Bär Kittelmann lebt in Berlin und konzentriert sich derzeit auf Sound, Grafikdesign und Illustration. Kittelmanns Praxis ist geprägt von einer „Fun-First“-Hierarchie und einem geringen Interesse an Regeln und Einschränkungen.
www.instagram.com/kittelfrau

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