Alma Alloro: Shaatnez

Alma Alloro

Ausstellung

Alma Alloro, Bird, 2017, graphic markers on paper

Ausstellung

10.3.-21.4.2018 //
Mi-Sa // 16:00-19:00

Eröffnung

9.3.2018 // 19:00

Artist Talk

21.4.2018 // 16:00
Alma Alloro und Maayan Strauss

Bilder

Bilder Eröffnung
© alpha nova & galerie futura
Bilder Ausstellung
© Paul Barsch

 

Die Ausstellung ist gefördert von: Artis Grant Program

Textile Quilts – Videoinstallation – Zeichnungen

In ihrer ersten Einzelausstellung in Berlin präsentiert die Künstlerin Alma Alloro zwei Werkgruppen, die in den letzten Jahren entstanden sind. Großformatige textile Quilts stehen im Spannungsverhältnis zu mehreren Animationsvideos und fügen sich als multimediale Rauminstallation zusammen. Eine Serie mit kleinformatigen Zeichnungen bildet eine weitere Komponente und Materialität.

Die laut Jüdischem Gesetz und Torah verbotenen Mischgewebe aus Wolle und Leinen werden als Shaatnez bezeichnet; die moderne hebräische Definition des Wortes bedeutet Vermischung. Zu diesen alten wie auch modernen Auslegungen stellt Alloro in ihrer Ausstellung mehrere Bezüge her – insbesondere durch den spezifischen Stellenwert, den die textilen Werke in ihrer Arbeit einnehmen. Die Künstlerin mischt die Patchworkstoffe mit anderen Materialien wie Video, Animation, Zeich­nungen, verbindet Analoges mit Digitalem, verschränkt alte und neuere Arbeiten zu neuen Kompositionen und zielt dabei auf stetige Grenzüberschreitungen.

Alloro fertigt einzelne Segmente ihrer Quilts, scannt diese und näht diese Einzelteile am Ende zum Gesamtstück zusammen. Die digitalen Scans der Stoffe verwebt sie gleichzeitig zu einer Animation. So entwickelt sie eine ganz eigene Verschränkung analoger und digitaler Medien, die sich nahtlos im Prozess bedingen. Sie löst somit auch die kontemporär inszenierte Differenz von Neuen Medien zu Handwerk auf. Die entstehenden Animationen erscheinen handgemacht und andersherum wirkt die Ästhetik von Farbskalen und das Flimmern der Digitalästhe­tik in die textilen Quilts ein.

Alma Alloro arbeitet intuitiv, setzt sich zuvor jedoch klare Spielregeln, um sich Freiräume im Spielerischen zu schaffen. Bisher definierte sie zuerst klar abgegrenzte Segmente, Farben und Anordnungen, aus denen dann ihre Patchworks entstehen. Im Gegensatz zu früheren Quilts, denen präzise Berechnungen von Mustern und Anord­nungen der einzelnen Stoffsegmente in einem strengen Arbeitsprozess vorausgingen, widmet sich Alloro für die Ausstellung Shaatnez einer neuen Textilarbeit, die von den Stoffresten, Überbleibseln und dem scheinbar Über­flüssigen dieser vorherigen Herstellungen ausgeht, um sie zu vereinen. Ebenfalls neu ist dabei die diesen Prozess begleitende spontane, ungeordnete Herangehensweise, die die Künstlerin von, wie sie selber sagt, bisherigen Selbstzwängen befreit und ihr die Möglichkeit bietet im Spannungsfeld von Restriktion und Intuition spielerisch zu experimentieren.

Die Quilts, Produkte einer handwerklich-meditativen Präzisionsarbeit, verweisen nicht nur durch die gewählten 4:3 Proportionen auf ihre Verwandtschaft zu Bildschirmen und auf die Geschichte der Medien und Animation. Diese eng vor der Wand gehängten Arbeiten sind mediale Grenzüberschreitungen und wirken ebenso bewegt wie animiert. Durch ihre gegenläufigen, repetitiven Mustern erzeugen sie fast schon eine hypnotische Wirkung. Sie sind gleichzeitig Fenster, die den Blick auf intergenerative Wissensweitergabe und cross-culture Ästhetiken freigeben.

Alma Alloro bezieht sich mit ihrer Arbeitsweise und verwendeten Materialien auf die Re-mix-Culture: Zum einen auf die moderne digitale remix-culture, zum anderen auf die traditionelle der Quiltanfertigung. Sowohl der digitale als auch der analoge Prozess basiert auf kollaborativen Praktiken, integriert gefundene Materialien, setzt sie zusammen und stellt somit neue Zusammenhänge und Bedeutungen her.

Ein weiterer Aspekt ist Alloros Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Kunst und Arbeit, konkret dem künstlerischen Schaffen als oft hartem Arbeitsprozess, der jedoch im Zuge von Werkpräsentationen meist unsichtbar bleibt. Die Ausstellung verweist explizit auf die enge Verschränkung von streng konzeptueller Arbeit mit der handwerklichen Produktion der Quiltanfertigung, die traditionell weiblich assoziiert und künstlerisch marginalisiert ist. Alloro durchkreuzt damit dominante Ansätze in der zeitgenössischen Kunst, in denen das Konzept eines Kunstwerkes höher bewertet wird als seine eigentliche Herstellung.

Als zweite Werkgruppe präsentiert die Künstlerin eine Reihe Zeichnungen, die mit Filzstiften und feinen Linern formal an figurative Kinderzeichnungen erinnern, jedoch in ihrer Präzision Einblicke geben in eine Welt, die ebenso ihren Ursprung in der Animation haben mag und die durch ihren intuitiven, freien Strich überzeugen. Im Gegensatz dazu wirkt die Zweierserie von klaren perspektivisch-geometrischen Raumzeichnungen fast berechnet. Alloro zeichnet Flächen anhand von gerasterten Linien, wobei sich wiederholt eine Videoästhetik einbringt. In einem turmähnlichen skulpturalen Objekt aus Karton sind drei Monitore untergebracht, die die Quiltanimationen räumlich präsentieren. Karton erscheint uns näher an Stoff als jemals gedacht, und die Stabilität und architekturale Qualität beider Elemente wird dadurch verstärkt. Ebenso wie die Stoffe einen Raum erbauen können tun dies nun im Gegenzug die Videos – wenn auch hier die Bewegung zeitbasiert abläuft und nicht mehr konstruktiv.

Die Arbeiten Alloros verweisen darauf, dass Prozesse sowohl linear als auch räumlich verlaufen können und sich einander bedingen. Sie stehen für einen Kulturbegriff der eher nach Austausch und Begegnung sucht als nach Abgrenzung.

almaalloro.com

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