Rajkamal Kahlon, Helen Cammock: Prekäre Kunst – Künstliche Grenzen

Rajkamal Kahlon, Helen Cammock, Stacie CC Graham, E. Okobi

Ausstellung, Veranstaltungsreihe, Workshop

Ausstellung

13.10.–18.11.2017 //
Mi-Sa // 16:00–19:00

Eröffnung & Artist Talk

12.10.2017 // 19:00
Performance Helen Cammock
20:00 // Artist Talk
Moderation: Stacie CC Graham

Link zur Videoaufzeichnung des Artist Talk

Workshops

14.10.2017
Schreibwerkstatt mit Stacie CC Graham: 10:30-13:30
Theaterworkshop mit E. Okobi: 12:30-16:30

Bilder

Bilder Eröffnung & Ausstellung
Fotos: alpha nova & galerie futura

Film

Artist Talk with Rajkamal Kahlon & Helen Cammock, moderated by Stacie CC Graham

Link zur Videoaufzeichnung des Artist Talk

Presse

Medienpartnerin

Prekäre Kunst: Künstliche Grenzen
mit Rajkamal Kahlon & Helen Cammock
kuratiert von Dr. Stacie CC Graham, Dr. Katharina Koch und Dr. Marie-Anne Kohl

Ausstellung @ alpha nova & galerie futura: 13.10.-18.11.2017, Mi.-Sa., 16:00-19:00

Ausstellung in London: 8.12.-17.12.2017 @ 198 Contemporary Arts & Learning

Video – Installation – Malerei

Von wem wird wessen Geschichte wie erzählt? lautet die zentrale Frage des Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekts Prekäre Kunst: Künstliche Grenzen, das sich mit Möglichkeiten der langfristigen Veränderung alltags- und strukturell rassistischer und sexistischer Verhältnisse und entsprechender Geschichtsschreibungen im Allgemeinen und spezifisch im Kunstfeld auseinandersetzt.

Die Doppelausstellung mit den Bildenden Künstlerinnen Helen Cammock und Rajkamal Kahlon, genauso wie das Künstlerinnengespräch und die Performance loten aus, wie Geschichtsschreibung(en) und Repräsentationen konstruiert sind und welche Rolle insbesondere race und Geschlecht für die Sichtbarkeit spielen. In drei Workshops aus den Bereichen Schreiben, Theater und Gesang wird künstlerisch erforscht, was wirkungsvolle selbstermächtigende Praxen sein können, um diskriminierende Zuweisungen zurückzuweisen, Geschichtslücken zu füllen, andere Narrative zu stärken und zu normalisieren, ohne sie ihrer politischen Bedeutung zu entheben.

Ausgangspunkt von Prekäre Kunst: Künstliche Grenzen ist eine Ausstellung mit den Künstlerinnen Helen Cammock (London) und Rajkamal Kahlon (Berlin). Ihre Arbeiten stehen sowohl für die Auseinandersetzung mit der eigenen Person und Geschichte als auch für die mit hegemonialen Geschichtsschreibungen, die Schwarze Künstler*innen und Künstler*innen of Color kategorisch marginalisiert oder ihnen entsprechende identitätspolitische Nischen zuweist. Diesen Ausschlüssen, Lücken und Zuweisungen begegnen die Künstlerinnen mit eigenen Repräsentationspraxen und dem Erzählen individueller Geschichten. Die Arbeiten stehen zudem für die Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit rassistischen Repräsentationen des Kolonialismus, deren machtvolle Einschreibungen sich bis in die Gegenwart reproduzieren und aktualisieren. In ihren Werken machen die Künstlerinnen diese Prozesse sichtbar und setzen ihnen konsequent dekolonisierende Perspektiven entgegen.

So untersucht Helen Cammock, wie individuelle und kollektive Erfahrungen die Auswirkungen struktureller Ungleichheit verkörpern und erforscht dafür unterschiedliche gesellschaftliche Erfahrungen in bestimmten Repräsentationssystemen. In der Ausstellung in der alpha nova & galerie futura präsentiert sie zwei neue Videoarbeiten: „There’s a Hole in the Sky Part I“ und „There’s a Hole in the Sky Part II; Listening to James Baldwin“. Erstere beschäftigt sich mit Fragen nach kulturellen und menschlichen Werten. Cammock interagiert dafür mit Arbeiter*innen einer der letzten Zuckerfabriken in Barbados sowie einer auf Tourismus zielenden Zucker- und Rumplantage im Inselstaat. Der den Film auf der Tonebene begleitende fragmentierte Dialog über Arbeit und kulturelle Transfers erzeugt durch das Verwenden von Prosa und Liedern – eigenen Texten der Künstlerin, Auszügen aus Zeitungen sowie Schriften von Schriftsteller*innen wie u.a. Maya Angelou – eine Trennung zwischen dem was zu sehen ist und dem was gehört wird. Die zweite Videoarbeit ist eine imaginierte Konversation mit dem amerikanischen Schriftsteller James Baldwin. In dieser beschäftigt sich Cammock mit freiwilligen und unfreiwilligen Migrationsgeschichten von Schwarzen Schriftsteller*innen und Tänzer*innen aus Amerika nach Europa, die sich hier mehr Arbeitsmöglichkeiten und Anerkennung erhofften. Der Film erforscht auf mehreren Ebenen die Dynamiken zwischen Aneignung und Macht. Auch hier sind Bild- und Tonebene formal getrennt und schaffen in ihrer künstlerischen Neuverbindung eine eigene Sprache und Ästhetik.

Rajkamal Kahlon nutzt Bilder des Kolonialismus – vielfach Material aus anthropologischen Forschungen des späten 19. und frühen 20. Jh. – um sie in Beziehung zu setzen mit den machtvollen, rassistischen Repräsentations- und Handlungspraxen der Gegenwart im Zuge des „Kampfes gegen den Terrorismus“. Sie ergründet somit das visuelle Erbe von Herrschaftssystemen und macht Kontinuitäten in hegemonialen Bildsprachen sichtbar. In der alpha nova & galerie futura zeigt Kahlon die Videoarbeit „Peoples of Afghanistan“ (2016), eine Collage aus found footage aus dem Internet einer amerikanischen Bomberattacke auf afghanisches Territorium und Diaprojektionen mit Fotografien afghanischer Männer, die in den 1960er Jahren während einer anthropologischen Feldforschung entstanden sind und unter dem Titel „Physical Anthropology of Afghanistan“ veröffentlicht wurden. In Verbindung dazu werden zwei Leinwandarbeiten aus Kahlons Serie „Blowback“ (2013) gezeigt: Auch hier werden Zusammenhänge zwischen kolonialen Repräsentationspraxen in Form anthropologischer Abbildungen und moderner politischer Gewalt hergestellt, die unter dem Label des Terrorismus läuft. Durch die Transformation, Zerstückelung und Neuzusammensetzung von Bildern, insbesondere solcher kolonialisierter Subjekte, befreit Kahlon diese von ihrer ursprünglichen Konnotation und gibt ihnen, ihren Körpern und Geschichten, die Würde zurück. So sind Körper in Kahlons Werken nicht nur Gegenstand politischer und intimer Gewalt, sondern werden auch zu einem (Erfahrungs-)Raum für Transformation und Widerstand.

Das Gesamtprojekt Prekäre Kunst: Künstliche Grenzen ist eine Weiterentwicklung der Ausstellung und Veranstaltungsreihe Prekäre Kunst: Protest und Widerstand, die 2015 in der alpha nova & galerie futura stattgefunden hat. Sie befasste sich mit Rassismen und Sexismen im Kunstbetrieb, von denen Schwarze Künstler*innen und Künstler*innen of Color besonders betroffen sind. Mit den Teilnehmer*innen wurden diskriminierende Strukturen sowie verschiedene Strategien erörtert, diesen entgegenzuwirken. Das Folgeprojekt Prekäre Kunst: Künstliche Grenzen schließt an die damals aufgeworfenen Fragen und Diskussionen an, führt sie weiter und entwickelt neue künstlerische Perspektiven und Zugänge zu den genannten Themen. Zentral für das Projekt ist, dass Wissen so generiert und verbreitet wird, dass die Unterdrückten nicht in die Position gerückt werden, die Unterdrücker*innen belehren zu müssen. Sie präsentierten sich stattdessen als normalisiertes doch zugleich besonderes politisches Subjekt.

www.helencammock.co.uk
www.rajkamalkahlon.com
www.stacieccgraham.com
www.ekeneokobi.com

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